Die vergessene Panoramalinie – Die Ybbstalbahn, verborgen zwischen den Bergen
Es gibt Strecken, die heute niemand mehr sucht – doch wer sie dennoch beschreitet, nimmt mehr mit nach Hause als bloß schöne Aussichten. Im niederösterreichischen Ybbstal fuhr einst ein Zug, dessen Gleise heute nur noch von Geschichte erzählen. Doch die Linie – die feine Kurve, gezeichnet in die Landschaft – besteht weiter. Nur erzählt sie nun eine andere Geschichte.
Wo einst die Vergangenheit ratterte
Die Ybbstalbahn wurde im Jahr 1891 erbaut und verband über ein Jahrhundert lang die Stadt Waidhofen an der Ybbs mit dem kleinen Alpenort Kleinreifling. Die 71 km lange Strecke, bekannt für ihre kurvenreichen Abschnitte durch das Hügelland, war weit mehr als nur Transportweg – sie war ein Verbindungsglied zwischen Industriegebieten und alpinen Dörfern.
Noch bis weit ins 21. Jahrhundert hinein dampften Züge zwischen Lunz am See und Göstling, hielten an winzigen Haltestellen, an denen heute nur noch Gras wächst.
2009 wurde der Betrieb endgültig eingestellt – doch das Schicksal der Strecke nahm eine neue Wendung: Sie wurde zum Radweg umgestaltet.
Eine Linie, die heute anders führt
Auf der ehemaligen Bahntrasse verläuft heute der Ybbstalradweg – ein landschaftlich besonders reizvoller Radweg, der sich auf rund 55 Kilometern dem Fluss Ybbs entlangschlängelt. Die Gleise sind verschwunden, doch Dämme, Brücken, Tunnel und Kurven bleiben – als sichtbare Zeugen einer vergangenen Ära.
Wer heute hier radelt, bekommt nicht nur Natur, sondern auch ein Stück Zeitgeschichte mit.
An den alten Haltestellen erinnern historische Fotos an eine Zeit, in der Kinder den Zügen zuwinkten und der Schaffner in aller Ruhe seine Fahrkarten lochte.
Eine Landschaft, die mehr zeigt als nur Aussicht
Der Radweg eignet sich perfekt für Menschen, die das langsame Entdecken lieben. Begleitet vom Plätschern der Ybbs führen die Etappen durch Wälder, vorbei an Felswänden, über historische Eisenbahnbrücken. Die Strecke ist nicht anspruchsvoll – auch für Familien geeignet – und dennoch hat sie etwas Erhabenes, fast Meditatives.
Wer von einer der alten Eisenbahnbrücken hinunterblickt, erkennt: Die Natur hat sich das Terrain zurückgeholt, aber die Spur des Menschen nicht ausgelöscht. Die „Linie“ verläuft weiterhin – nicht aus Stahl, sondern aus Erinnerung.
Wie gelangt man hin?
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📍 Startpunkt: Waidhofen an der Ybbs
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🚲 Länge der Strecke: ca. 55 km (kombinierbar mit Lunz, Göstling, Ybbsitz etc.)
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🏞️ Terrain: meist flach, leichte Steigungen
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🚆 Anreise mit der Bahn: über Westbahn oder ÖBB bis Waidhofen
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☀️ Beste Zeit: Frühling bis Herbst, ideal bei schönem Wetter
Warum ist das „Trim-Line“?
„Trim-Line“ bedeutet hier nicht nur die alte Bahnlinie – sondern auch eine gedachte Linie der Erinnerung. Eine historische Kontur, gezeichnet nicht mehr von Maschinen, sondern von Landschaft, Zeit und menschlicher Präsenz.
Diese Linie transportiert heute keine Güter, kein Ziel – sondern Erlebnis.
Sie hat ihre ursprüngliche Funktion verloren, doch einen neuen Sinn gewonnen: ein Ort für achtsames Reisen, langsames Entdecken, für Bewegung im Rhythmus der Natur.
Und auch das ist eine Linie, die es wert ist, ihr zu folgen.
Nicht, weil das Ziel so wichtig wäre – sondern weil man unterwegs etwas findet, das bleibt.
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